Die richtige Brexit-Strategie: Arzneimittel und Medizinprodukte auf die EU27 vorbereiten

14.08.2018 | Dr. Thilo Sandner
Sandner, Thilo

Dr. Thilo Sandner
Managing Partner

Seien wir optimistisch: Sofern der „No Deal“-Brexit nur ein Drohszenario ist, bleiben pharmazeutischen Unternehmen aus Großbritannien noch etwa zwei Jahre, um ihre Arzneimittel und ihre Medizinprodukte auf eine dauerhafte Vermarktung auf der anderen Seite des Ärmelkanals vorzubereiten. Die Zeit bis zum Ende der Übergangsphase im Jahr 2020 reicht noch aus, um effiziente Lösungen für einen langfristigen EU-Marktzugang nach dem Brexit aufzubauen. Wir zeigen, auf welche Aspekte Unternehmen jetzt achten müssen – und wo Fallstricke lauern.

Aus unserer Erfahrung als pharmazeutische Consultants wissen wir, dass einige Arzneimittelhersteller aus Großbritannien noch immer auf den Erhalt des Status quo hoffen: Auf einen freien Binnenmarkt zwischen EU und UK – auch jenseits der bis zum 31. Dezember 2020 geplanten Brexit-Übergangsphase1). Andere Unternehmen dagegen bereiten sich konsequent auf einen „Hard Brexit“ schon am 29. März 2019 vor. Mittelständische Arzneimittelunternehmen neigen unserer Erfahrung nach etwas eher zur Hoffnung. Große Hersteller sind hier pessimistischer. Sie bereiten sich längst auf den unternehmerischen Worst-Case vor. Die Realität wird irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegen.

Wann endet der Zugang zum EU-Binnenmarkt?

Genau hier setzt das Brexit-Consulting von Diapharm an. Wir haben für Hersteller und Vertreiber von Arzneimitteln und Medizinprodukten ein Entscheidungsschema erarbeitet, mit dem sie ihre Brexit-Strategien prüfen und neu ordnen können. Dabei erarbeiten wir gemeinsam Antworten auf folgende Fragen, die wir dann in Relation zu den verschiedenen Brexit-Szenarien setzen:

  • Wie wirkt sich der Brexit überhaupt auf das Produktportfolio aus („exposure“)
  • Auf welchen Wegen lassen sich erkannte Risiken entschärfen („mitigation“)
  • Welche Handlungsoptionen existieren und welche Vorbereitungszeit ist dafür erforderlich („action strategy“)
  • Wie effizient sind die möglichen Handlungsoptionen im Vergleich („efficiency“)

Die „Exposure“, also die individuelle Betroffenheit vom Brexit, unterschiedet sich dabei stark von Unternehmen zu Unternehmen und von Produkt zu Produkt. Neben der Frage, ob und wie das Produkt auf dem Kontinent vertrieben wird, spielen beispielsweise die Lieferkette der Rohstoffe und die Art der Zulassung (Arzneimittel) beziehungsweise der Konformitätsbewertung (Medizinprodukte) eine entscheidende Rolle. Dementsprechend fallen die möglichen Strategien für eine „Mitigation“ je nach Unternehmen unterschiedlich aus. Neben zahlreichen weiteren Punkten beleuchten wir:

  • Mögliche Weitergeltung bestehender Zulassungen bzw. Konformitätserklärungen
  • Sitz des pharmazeutischen Unternehmers bzw. Bevollmächtigten für die EU (Authorised Representative)
  • Importerlaubnis, Qualitätsmanagement und Qualitätskontrolle (z.B. EU-Retest)
  • Gesetzlich vorgeschriebene Funktionen wie QPPV / sachkundige Person (Qualified Person)
  • Großhandel und Vertriebssystem

Chancen und Risiken verschiedener Handlungsoptionen

Aus der individuellen Analyse ergibt sich jeweils eine Auswahl von möglichen „Action Strategies“. Mit Sicherheit gilt: Nach dem Brexit müssen Firmensitz und Sitz der verantwortlichen Person in der Europäischen Union liegen, damit Arzneimittel und Medizinprodukte weiterhin in der EU marktfähig sind. Für UK-Unternehmen ist es also naheliegend, eine Niederlassung in einem der 27 EU-Staaten auf dem Kontinent zu gründen. Firmen, die bereits über eine solche Niederlassung verfügen, scheinen einen Vorsprung zu haben. Doch Vorsicht, auch hier schlummern mitunter gefährliche Fallstricke, zum Beispiel:

  • Erfüllt die EU27-Niederlassung alle Voraussetzungen, um als pharmazeutischer Unternehmer aktiv zu sein?
  • Verfügt die Niederlassung über die notwendigen Erlaubnisse (Import, Großhandel etc.) und sind die erforderlichen Prozesse für die Zeit nach dem Brexit definiert und etabliert (z.B. EU-Retest, Chargenfreigaben)?
  • Können/dürfen die Mitarbeiter in der EU27 alle gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen (QP, QPPV, Bevollmächtigter)?
  • Haben die gehaltenen MR-/DCP-Arzneimittelzulassungen Großbritannien als Reference Member State? (Dieser wird nach dem Brexit nicht mehr anerkannt.)
  • Ist die Konformitätsbewertung für Medizinprodukte durch eine Benannte Stelle in Großbritannien erfolgt? (Diese könnte über den Brexit hinaus weitergelten – sicher ist das noch nicht. Doch spätestens die fällige Re- beziehungsweise Neu-Zertifizierung nach MDR-Standard wird mit einer Benannten Stelle in UK nicht mehr möglich sein.)

Einige Unternehmen aus UK erwägen angesichts solcher Hürden, Zulassungen und ganze Marken an ein Unternehmen in der EU27 zu verkaufen oder zu übertragen. Das Finden des richtigen Partners und das richtige Timing sind dann entscheidend. Für viele andere Unternehmen ist eine solche Auslagerung der eigenen Unternehmenswerte vollkommen undenkbar.

Wir unterstützen Sie in allen denkbaren Konstellationen – bei der Suche nach Partnern ebenso wie mit intelligenten OEM/PLM-Lösungen zum Schutz des geistigen Eigentums. Und selbstverständlich auch bei der Vorbereitung unternehmerischer Strukturen in einem oder mehreren Staaten der EU27 für die Zeit nach dem Brexit. Sprechen Sie uns an!

 

1)  Für die Zusammenarbeit in der Übergangsphase hat die britische Regierung am 06.08.2018 ein Guidance-Dokument veröffentlicht: Technical information on what the implementation period means for the life science sector. Von einigen (allerdings durchaus wesentlichen) Ausnahmen abgesehen soll für die britische pharmazeutische Industrie bis zum 31. Dezember 2020 alles beim Alten bleiben.

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