Unter "Outsourcing" wird ein Konzept verstanden, bei dem ein Unternehmen auf Quellen außerhalb der eigenen Strukturen zur Versorgung mit Dienstleistungen zurückgreift: Arbeitsgebiete, die nicht zum Kerngeschäft gehören, werden an externe Dienstleister abgegeben.
Motivation für diese Auslagerung ist vor allem in der Rationalisierung von Prozessen, in der Flexibilisierung des Unternehmens und in der Möglichkeit einer Konzentration auf zentrale Aufgaben zu finden. Hinzu kommt, dass durch Outsourcing Investitionen und langfristige Mittelbindungen vermieden und Fixkosten in variable Kosten umgewandelt werden. Dies wirkt sich positiv auf Kreditratings und Unternehmensbewertungen aus. Aber auch schnelles Unternehmenswachstum sowie der Wunsch nach einem Zugewinn an Qualität und Know-how durch Zusammenarbeit mit spezialisierten Outsourcing-Partnern können Gründe für eine solche Auslagerung sein.
Kritisch an der kompletten Externalisierung von Aufgaben wird gewertet, dass eine unerwünschte Abhängigkeit von Dritten geschaffen werden kann. Langfristig wird durch umfangreiches Outsourcing ein schleichender Know-how-Verlust im Unternehmen befürchtet. Die Abgrenzung vom Wettbewerb kann schwer fallen, falls diese sich derselben Dienstleistungsunternehmen als Outsourcing-Partner bedienen. Und auch der kontinuierlich erforderliche Aufwand zur Steuerung der Dienstleister sowie eventuelle Schnittstellenprobleme fallen ins Gewicht: Der – auch finanzielle – Erfolg eines Outsourcings hängt deshalb stark vom professionellen Umgang des Kunden und seines Dienstleisters miteinander ab (vgl. Abbildung 1).
Selective Outsourcing
Es lassen sich diverse Formen des Outsourcings unterscheiden, wobei es in diesem Artikel in erster Linie um "Outtasking" bzw. "Selective Outsourcing" gehen soll. Diese Begriffe werden häufig synonym verwendet und benennen die treibende Kraft für das Outsourcing bei pharmazeutischen Unternehmen.
"Selective Outsourcing" bedeutet, dass einzelne Funktionen und Prozesse einem externen Dienstleister überantwortet werden – beispielsweise, weil innerhalb eines Unternehmens das jeweils notwendige Know-how kurzfristig nicht verfügbar ist oder mangels kritischer Masse gar nicht vorgehalten wird . Der Trend zum Outsourcing befindet sich seit Ende der 80er Jahre im Wachstum und hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht.
Outsourcing in der Pharmaindustrie
Im Folgenden wird das Potential für Outsourcing in verschiedenen pharma-spezifischen Abteilungen beleuchtet. Im Vordergrund sollen dabei die OTC-Industrie und die Vermarktung bekannter Stoffe stehen. Hier werden die Möglichkeiten, Aufgaben an externe Dienstleister zu übergeben, bereits umfänglich genutzt. Aktuelle Trends in der Pharmalandschaft werden aufgezeigt, deren Potential für neue Outsourcing-Dienstleistungen eruiert und daraus entstehende Risiken beleuchtet. Outsourcing-Aktivitäten, die über die pharmazeutische Industrie hinaus in allen Branchen Anwendung finden (etwa Finanz- oder IT-Leistungen), sind an anderer Stelle bereits ausführlich dargestellt.
Durch die Reduzierung der Personaldecke in vielen Unternehmen, aufgrund der Vielfalt von Verantwortlichkeiten bei den Mitarbeitern und angesichts immer kürzer werdender Produktlebenszyklen besteht vielfach ein Engpass bei den zeitintensiven koordinativen Aufgaben der Produktentwicklung. Das "Abfedern" von Leistungsspitzen ist ein klassisches Argument für Outsourcing, das auch bei pharmazeutischen Unternehmen gilt: Für die Produktentwicklung wird zunehmend Know-how aus dem Markt zugekauft. Positiver Effekt einer solchen Zusammenarbeit mit spezialisierten Dienstleistern kann letztlich die Nutzung des Know-hows hinsichtlich innovativerer Formulierungen, Rohstoffe, Darreichungsformen oder Verpackungsmöglichkeiten sein. Gleichzeitig bleibt die Unabhängigkeit bei der Auswahl des entsprechenden Fach-Dienstleisters bestehen.
Dem gegenüber steht jedoch die Tatsache, dass die Produktentwicklung in vielen Firmen zu den Kernaufgaben zählt und daher nur ungern ausgelagert wird: Befürchtet wird die erschwerte Differenzierung vom Wettbewerb beim Zukauf externen Know-hows. In solchen Fällen wird oft nur eine Entwicklungs-Partnerschaft mit einem Dienstleister statt der kompletten Auslagerung der Produktentwicklung angestrebt. Allerdings kommt es auch innerhalb des Unternehmens durch Mitarbeiterfluktuation zu regelmäßigen Know-how-Verlusten – beziehungsweise bei Neuanstellungen zur Zuwanderung von Know-how der Mitbewerber. Das Vertragsrecht (im Falle externer Dienstleister) kennt ebenso wie das Arbeitsrecht (nachvertragliche Wettbewerbsverbote) Gestaltungsmöglichkeiten, um eine solche Egalisierung des Know-hows im Markt zu verhindern. Bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung stellt sich daher lediglich die Frage, zu welchen Kosten Know-how an das Unternehmen gebunden beziehungsweise weiter gesteigert werden kann. Der Dienstleister ist dabei als Teil des Unternehmens zu verstehen: Er hält das notwendige Know-how vor und entwickelt es – gegebenenfalls auch exklusiv für das Unternehmen – weiter.
Nischenprodukte
Durchgesetzt hat sich diese rational-betriebswirtschaftliche Sichtweise der Know-how-Kosten bei der Produktentwicklung für "Nischen"-Produkte: Häufig wird beispielsweise die Entwicklung von generischen und von Produkten außerhalb des Kern-Portfolios an externe Dienstleister vergeben. Dies bietet sich beispielsweise für ein pharmazeutisches Unternehmen an, das seine Kernaufgabe in der Zulassung und Vermarktung ethischer Produkte sieht: Ein – das Arzneimittel-Portfolio lediglich ergänzendes – Medizinprodukt oder Nahrungsergänzungsmittel wird dann von einem versierten externen Spezialisten entwickelt.
Doch auch Unternehmen, die Arzneimittel selbst entwickeln, nutzen externes Know-how. Neben den vordringlichen Entwicklungsprozessen hinsichtlich Galenik oder Packmittelspezifikation können hier beispielsweise die Planung und Bewertung der präklinischen Evaluierung sowie die Erstellung des zur Beantragung klinischer Studien notwendigen Investigational Medicinal Product Dossiers (IMPD) als externe Leistungen miteinbezogen werden.
Die Durchführung und Betreuung von klinischen Studien wird von vielen Firmen routinemäßig an externe Dienstleister vergeben. Im ethischen wie im OTC-Bereich schwankt die Arbeitsbelastung stark, der Zugriff auf externe Organisationen ist deshalb vorteilhaft und weit verbreitet. Den OTC-Unternehmen kommt hier gleichwohl eine Sonderstellung zu: Da sie seltener aufwendige Studien durchführen, lässt sich ein eigener Mitarbeiterstab für diesen Bereich in den seltensten Fällen rechtfertigen. Im Einzelfall nutzen sie die Angebote externer Contract Research Organisations (CROs) daher umso intensiver.
Neue Dienstleistungs-Anbieter konnten sich in den letzten Jahren zudem im Bereich der Anwendungsbeobachtungen (AWB) etablieren . Mit den Möglichkeiten der neuen Medien können die betreffenden Informationen heute zeitnah über das Internet abgefragt und dann durch entsprechende Spezialisten ausgewertet werden. Sie können sogar vollständig per Internet durchgeführt werden.
Gerade in Firmen, bei denen Marketing und Vertrieb im Fokus des Unternehmens stehen, ist die Auslagerung von Dienstleistungen zur Arzneimittel-Zulassung und zur langfristigen Produktpflege an der Tagesordnung. Von der vollständigen Auslagerung aller regulatorischen Aktivitäten und der kompletten Fokussierung auf die Kernaufgaben des Marketings und Vertriebs bis hin zur Auslagerung einzelner Aufgaben innerhalb der Zulassung haben sich alle Facetten des Outsourcing am Markt etabliert. Als Vorteil bei der Nutzung externer Dienstleister im Zulassungsbereich wird oft die Neutralität gegenüber Behörden und auch das umfangreiche, breit gestreute Know-how des Dienstleisters genannt, der sich auch mit Produkten anderer Marktteilnehmer beschäftigt. Hinzu kommt, dass sich gerade bei kleineren Unternehmen oder bei wenigen eigenen Zulassungen der Aufbau interner Zulassungsabteilungen nicht rechtfertigen lässt: Jedes Jahr wird eine Flut von neuen Richtlinien, Verordnungen und Gesetzen publiziert, die der Sachbearbeiter zu kennen und anzuwenden hat . Dieser Aufwand kann sich nur rentieren, wenn eine entsprechende Anzahl an Arzneimitteln zu betreuen ist. Dem finanziellen Vorteil des Outsourcings stehen allerdings mögliche Schnittstellen- und Kommunikationsprobleme zwischen Unternehmen und Dienstleister gegenüber. Insbesondere innovative Zulassungen, also "Full Applications", bringen im Bereich der Regulatory Affairs nur wenig Outsourcing-Potenzial mit sich. Hier ist das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Bewertung also eher negativ. Hingegen bietet sich die Auslagerung der Pflege von well-established-use Substanzen, wie etwa bei Generika oder OTC-Produkten im Umfeld einer ethisch ausgerichteten Organisation und vice versa, unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten geradezu an.
Mit abnehmenden Innovationsgrad nimmt die Einschaltung von externen Dienstleistungsunternehmen generell zu. Sobald man sich im Bereich der bibliographischen Zulassungen bewegt, verflüchtigen sich Befürchtungen, internes Know-how nach außen zu geben, rasch, während sich Synergieeffekte schnell greifen lassen. Gerade bei einem Zusammenschluss mehrerer pharmazeutischer Unternehmer zu einem gemeinschaftlichen Zulassungsprojekt ("Pooling") ergeben sich für jedes einzelne Unternehmen finanzielle Anreize, die Zulassung zu externalisieren. In einem solchen Fall lässt sich der Aufwand für deren Erwerb und Erhalt auf mehrere Schultern verteilen, wobei die Koordination typischerweise einem externen Dienstleister übertragen wird.
Registrierung traditioneller pflanzlicher Arzneimittel (THMP)
Durch die aktuelle EU-Richtlinie zu traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln sind für pharmazeutische Unternehmer neue Chancen entstanden, traditionelle pflanzliche Produkte wieder zu aktivieren. Hersteller pflanzlicher Arzneimittel hatten bereits in den vergangenen Jahren begonnen, zahlreiche Aufgaben an externe Dienstleister zu vergeben, und zwar insbesondere dort, wo unter dem Gedanken des "well established use" geringe Innovationen zu erwarten sind. Vor dem Hintergrund oben genannter EU-Richtlinie ist neuerdings zusätzlich die Erstellung von entsprechenden Qualitätsdokumentationen, die Erarbeitung von Sicherheitsbewertungen und Traditionsbelegen erforderlich. Hersteller greifen hier tendenziell auf Dienstleistungsunternehmen zurück, die entsprechendes Know-how vorhalten und Recherchen effizienter durchführen können, als dies bei einem fest angestellten internen Mitarbeiter der Fall wäre, der sich aufgrund anderweitiger Verpflichtungen im Tagesgeschäft nur in Teilzeit mit traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln befassen kann.
Lesbarkeitstests der Packungsbeilage
Seit Ende Oktober 2005 müssen Arzneimittel-Neuzulassungen eine zusätzliche Anforderung erfüllen: Mit dem Leitfaden zur Lesbarkeit der Gebrauchsinformationen fordern die europäischen Behörden Lesbarkeitstests von Packungsbeilagen. Der Gesetzgeber wünscht eine statistisch abgesicherte Überprüfung der Verständlichkeit von Gebrauchsinformationen, die für Neuzulassungen eingereicht werden. Die pharmazeutische Industrie kann dabei noch nicht auf bestehende Strukturen zur Erfüllung dieser neuen Anforderung zurückgreifen. Da es sich beim User Testing zudem um eine zeitlich begrenzte und in sich geschlossene Aufgabe handelt, ist das Interesse am "Insourcing" gering – eine klassische Aufgabe also für Dienstleister, die bereits über Erfahrung sowie einen festen Probandenpool verfügen. Das Risiko für Unternehmen liegt hier mitunter im Einfluss der britischen Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA), die ein User Testing bevorzugt auf Englisch vorgelegt bekommen möchte und deutsche Firmen unter Umständen benachteiligt. Ein seriöser Dienstleister wird auf solche Gefahren hinweisen und die entsprechenden Möglichkeiten aufzeigen.
Bewertung von Umweltrisiken
Das jüngst in fachlichen Stellungnahmen zu Zulassungsanträgen des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geforderte "Environmental Risk Assessment" gibt dem Antragsteller ebenfalls eine neue Aufgabe auf. Durch die Modifikation des § 22 (3c) AMG im Rahmen der 14. Novelle ist der pharmazeutische Unternehmer gefordert, eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorzunehmen und diese Bewertung der Behörde zur Prüfung vorzulegen. Die Bewertung des Einflusses der zuzulassenden Arzneimittel auf die Umwelt ist unabhängig davon einzureichen, ob es sich um ein Phytopharmakon oder beispielsweise um ein Hormonpräparat handelt. Auf den OTC-Bereich spezialisierte Unternehmen verfügen jedoch in der Regel nicht über toxikologisch ausgebildete Fachleute, und der Aufbau der entsprechenden Kompetenz wäre finanziell auch kaum zu rechtfertigen. Diese neuen Anforderungen werden Antragsteller daher in vielen Fällen durch das Outsourcing entsprechender Assessment-Aufgaben erfüllen (müssen). Auch hier haben erste Dienstleister bereits das entsprechende Fach-Know-how aufgebaut.
Die 12. und die 14. AMG-Novelle mit ihren Anforderungen an die Arzneimittelsicherheit haben das Thema Pharmakovigilanz erneut in den Fokus der pharmazeutischen Industrie gerückt. Während die entsprechenden Regularien für die ethische Industrie weniger ungewöhnlich scheinen, sind sie für die OTC-Industrie vielfach Neuland, denn bei vielen OTC-Produkten treten schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen sehr viel seltener auf.
PSUR
Da viele Aufgaben der Arzneimittelsicherheit, beispielsweise regelmäßig durchzuführende Literaturrecherchen oder die Erstellung von Periodic Safety Update Reports (PSURs), primär nicht produkt- sondern wirkstoffbezogen erfolgen können, ist die Nutzung von Synergie-Effekten für OTC-Hersteller hier besonders interessant. Die pharmazeutischen Verbände und Dienstleister erfüllen dabei eine nützliche Koordinationsfunktion: Sie bündeln anfallende Aufgaben pro Wirkstoff und können so den Pharmakovigilanz-Aufwand für den einzelnen pharmazeutischen Unternehmer reduzieren.
Elektronische Meldung
Auch die elektronische Meldung von Verdachtsfällen schwerwiegender Nebenwirkungen von Arzneimitteln stellt für viele Firmen eine neue Herausforderung dar: Während in Deutschland über Ausnahmeregelungen vielfach die nationalen Meldungen noch auf postalischem Wege erfolgen können, müssen beispielsweise alle schwerwiegenden unerwarteten Nebenwirkungen aus Nicht-EU-Staaten auch für ausschließlich nationale Arzneimittel zwingend auf elektronischem Wege an die European Agency for the Evaluation of Medicinal Products (EMEA) gemeldet werden. Pharmazeutische Unternehmen, die kein eigenes elektronisches Meldesystem unterhalten oder für Einzelfälle neu aufbauen möchten, geben diese Teilaufgabe ebenfalls in die Hand von Pharmakovigilanz-Dienstleistern.