Vitamin D – aktueller Sachstand der ernährungswissenschaftlichen Forschung

Euroforum Newsletter Nahrungsergänzungsmittel, 2014, S. 18
Vitamin D ist seit einigen Jahren wohl mit das interessanteste ernährungswissenschaftliche Forschungsgebiet. Zahlreiche Studien und Fachgesellschaften haben sich in den letzten Jahren mit der Wirkung und Empfehlungen für eine sinnvolle Zufuhr beschäftigt.

Nunmehr sind jüngst zwei Übersichtsarbeiten veröffentlicht worden. In einer Metaanalyse hat eine Arbeitsgruppe um Evropi Theodoratou von der Universität Edinburgh 268 Arbeiten, die ihrerseits schon Metaanalysen darstellen, untersucht [1]. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass dem Vitamin D 137 positive Wirkungen auf alle möglichen Erkrankungen zugeschrieben werden.  Allerdings wurde der unterstellte Nutzen nur in zehn Fällen in Studien rigoros überprüft. Eine Ergänzung der Nahrung mit Vitamin D-Präparaten kann möglicherweise Karies bei Kindern senken, die Blutspiegel bestimmter Hormone bei Dialyse-Patienten regulieren und die Vitamin D-Spiegel gegen Ende der Schwangerschaft erhöhen, was schließlich mit einem höheren Geburtsgewicht des Kindes einhergeht. Für die vielfach nachgesagten günstigen Wirkungen hinsichtlich eines Zusammenhangs mit Krebserkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen sowie Diabetes mellitus fehlt dagegen eine ausreichende Evidenz.

Zu diesem Schluss kam kürzlich auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), welche in einer Stellungnahme eine Evidenzbewertung des Zusammenhangs zwischen Vitamin D und der Prävention von chronischen Krankheiten vornahm [2]. Die DGE kam zu dem Ergebnis, dass mit überzeugender Evidenz eine Supplementation von Vitamin D bzw. ein guter Vitamin D-Status bei Älteren mit einem verringerten Risiko für Stürze und Frakturen einhergeht. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch eine Stellungnahme der Europäischen Sicherheitsbehörde (EFSA) [3]. Mit wahrscheinlicher Evidenz verringert eine gute Vitamin D-Versorgung bei Älteren das Risiko für Funktionseinbußen des Bewegungsapparates und senkt das Risiko für vorzeitigen Tod. Diese Beurteilung stützt sich auf Ergebnissen von Meta-Analysen von Interventionsstudien [2].

Diese Auffassung vertritt auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, die valide Daten nur zur Vorbeugung bei älteren Menschen, die Osteoporose- und sturzgefährdet sind, insbesondere bei Heimbewohnern, sieht. Weiterhin gesichert ist die Wirkung von Vitamin D zur Vorbeugung von Rachitis bei Säuglingen sowie für Menschen mit einer Knochen erweichenden Osteomalazie und chronischer Niereninsuffizienz und Nebenschildrüsenschwäche [4].

Eine weitere aktuell veröffentlichte Studie einer Arbeitsgruppe um Rajiv Chowdhury von der Universität Cambridge in England kam zu dem Ergebnis, dass bei Personen, die Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, die Mortalität um elf Prozent geringer ist. Aufgrund der Datenanalysen, die insgesamt fast 900.000 Teilnehmer einbezog, konnte ebenfalls festgestellt werden, dass eine Einnahme von Vitamin D zudem das Risiko senkt, an einer Krebserkrankung oder einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben. Analog zu den diesbezüglichen o.g. Ergebnissen der Fachgesellschaften weisen aber die Wissenschaftler darauf hin, dass weitere laufende Studien hierzu abgewartet werden müssten [5]. In der Tat laufen derzeit zwei große Studien zur Wirksamkeit einer Vitamin D-Zufuhr an je 20.000 Personen in den USA und UK, deren Ergebnisse frühestens 2016 zu erwarten sind.

Die evidenzbasierte Auswertung der vorliegenden Studien zeigt, dass vor übertriebenen Erwartungen an die Wirkung von Vitamin D gewarnt werden muss. Eine bedenkenlose Supplementierung aller Personen ist schon deswegen nicht induziert, da es durchaus bei unkontrollierter Einnahme von Vitamin D zu Überdosierungen mit einer Gesundheitsgefährdung kommen kann. Gleichwohl führten die schlechte Versorgungslage bei Älteren und die nachgewiesen erwünschten positiven Effekte zur Prävention von Funktionseinbußen des Bewegungsapparates, Stürzen, Frakturen und vorzeitigem Tod bei älteren Personen zu einer Anhebung der Empfehlungen der Zufuhr von der DGE von 20 µg pro Tag [6]. Vergleichbare Empfehlungen kommen auch von anderen Fachgesellschaften wie der International Osteoporose Foundation [7] sowie vom Institute of Medicine in den USA [8]. Zur Beurteilung der Versorgungslage dient dabei die Serum-25(OH) D-Konzentration. Deren optimaler Wert ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion.

Vitamin D ist ein typisches Beispiel für die Wichtigkeit einer angemessenen und individuell angepassten Supplementierung .

Literatur

[1] Theodoratu E et al.: Vitamin D and multiple health outcomes: umbrelle reviw of systematic reviews and meta-analyses of oberservational studies and randomized trials; BMJ 2014;348:g 2035
[2] Linseisen et al: Vitamin D und Prävention ausgewählter chronischer Krankheiten- D Stellungnahme, Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) Hrsg., Bonn, 2011  www.dge.de/pdf/ws/DGE-Stellungnahme-VitD-111220.pdf
[3] European Food Safety Authority (EFSA): Scientific opinion on the substantiation of a health claim to vitamin D and the risk of falling pursuant to Article 14 of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 20111; 9 (9): 2813
[4] Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Stellungnahme: Wirkung einer Vitamin D-Gabe nur bei bestimmten Personengruppen und Patienten gesichert, www.endokrinologie.net/presse_120125.php
[5] Chowdhury R et al.: Vitamin D and risk of cause specific death: systematic review and meta-analysis of observational cohort and randomised intervention studies; BMJ 2014; 348:g 1903
[6] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr Vitamin D, Neuer Umschau Buchverlag, 1. Auflage, 5. korrigierter Nachdruck 2013
[7] Dawson-Hughes B et al.: IOF position statement: vitamin D recommendations for older adults. Osteoporos Int 2010;21:1151-4
[8] IOM (Institute of Medinine). Dietary References Intakes for Calcium and Vitamin D. Washington, DC: The National Academies Press (2011)

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