Man könnte meinen, Bregret bestimme aktuell die Stimmung im Vereinigten Königreich (UK).
Die Ankündigung eines eigenständigen regulatorischen Rahmens für Medizinprodukte und In-Vitro-Diagnostika (IVD) schien mit Blick auf den Brexit konsequent. Ersataunlich ist nun, dass die vorgestellte Anpassung der UK Medizinprodukteverordnung (UK-MDR) wesentliche Bestandteile der europäischen MDR1 der IVDR2 übernehmen soll.
Redundanzen wären die Folge. Etwa 70% der in UK in Verkehr gebrachten Medizinprodukte fußen ohnehin schon auf Konformitätserklärungen / Zertifikaten gemäß der Richtlinien 93/42/EWG über Medizinprodukte (MDD) und 98/79/EG über In Vitro Diagnostika (IVDD). Konformitätsbewertungsverfahren nach neuer UK-MDR könnten äußerst ähnlich zu den bereits erfolgten Prüfungen durch die europäischen Benannten Stellen ausfallen.
Es stellt sich die Frage, warum die britische Gesundheitsbehörde MHRA trotz der Übernahme wesentlicher Elemente der MDR und IVR in die eigene Regulatorik auf die UKCA Kennzeichnung in Verbindung mit eigenständigen Konformitätsbewertungsverfahren für bisher CE gekennzeichnete Produkte besteht.
Zusätzlich zur inhaltlichen Redundanz entstünde ein Kapazitätsproblem: Approved Bodies in UK sind ebenso rar und überlastest wie die in der EU; erst vier Approved Bodies sind nach UK Recht akkreditiert und nur sechs weitere Zertifizierungsstellen haben die Akkreditierungsanträge gestellt. Diesen Engpass zu kompensieren, indem UK Approved Bodies auf die Kapazitäten der europäischen Niederlassungen zurückzugreifen dürfen, wird misslingen.
Die MHRA hält dennoch an den Planungen fest. Und die Zeit wird knapp. Die UKCA Kennzeichnung wäre ab dem 01.Juli 2023 verpflichtend. Gleichzeitig ist der Erstellungsprozess der UK-MDR und zugehöriger Leitlinien längst nicht abgeschlossen. Nur eine rechtzeitige Verschiebung der UKCA Kennzeichnung wäre die logische Folge, da andernfalls die Versorgung mit Medizinprodukten und IVD in UK in Gefahr wäre.
Es gäbe Alternativen. Die seitens der Schweiz vorgelebte einseitige Anerkennung CE gekennzeichneter Produkte würde die beschriebenen Probleme (auch in Hinblick auf Nordirland) auflösen, ohne dass die Kernanforderungen des Brexit verletzt würden. Erste Anzeichen gibt es bereits. So haben sich MHRA und ABHI3 zur Anerkennung von Medizinprodukten und IVD aus dem Rechtsrahmen der FDA ausgetauscht. Dabei ist die FDA Zulassung von Medizinprodukten und IVD in ihrer Systematik weiter entfernt von der geplanten UK-MDR, als die europäischen Konformitätsbewertungsverfahren gemäß MDR und IVDR.
Fazit: Es besteht eine bemerkenswerte Klarheit in der Unklarheit, gleichzeitig aber eine gewisse Hoffnung, dass am Ende doch tragfähige Lösungen entstehen.
Diapharm steht mit benannten Stellen, Approved Bodies, europäischen und britischen Industrieverbänden in engem Austausch und kann jederzeit auf die Entwicklungen in UK reagieren. Als UK-Bevollmächtigter unterstützt Diapharm Klienten zudem in Abstimmungen mit der MHRA.
Sprechen Sie uns an.
1 Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte
2 Verordnung (EU) 2017/746 über In-Vitro-Diagnostika
3 Der britische Verband der Gesundheitsmittelindustrie