Verschafft man sich ein Bild über die deutschen Pharmavertriebsgesellschaften, die mit generischen Produkten und nicht-innovativen Arzneimitteln handeln, und speziell über die OTC-Industrie, ist es erstaunlich, wie wenig Produkte vom pharmazeutischen Unternehmer noch selbst produziert und freigegeben werden. Vom Sourcing der Bulkware bis hin zum vollständig analysierten und freigegebenen Fertigprodukt sind zahlreiche Einzelschritte und komplette Prozesse ausgelagert. Lohnhersteller verstehen sich heute vielfach als Dienstleistungsanbieter, deren Services weit über die reine Herstellung hinausgehen. Auch Entwicklungsleistungen, die Erstellung von Zulassungsdokumentationen und analytischer Service zählen zu ihren Angeboten (vgl. Teil 1 dieses Artikels).
Dennoch wird die Freigabe der Arzneimittel aufgrund der damit verbundenen Verantwortung nicht von allen Lohnherstellern gerne übernommen. Umgekehrt wünschen viele pharmazeutische Unternehmer den Erhalt ihrer Unabhängigkeit sowohl in der Wahl des Lohnherstellers als auch in der Verhandlungsposition gegenüber dieser „Third Party“, so dass sich hier eine gänzlich neue Dienstleistung herauszukristallisieren beginnt: Die isolierte Produktfreigabe („Lohnfreigabe“) unabhängig vom Lohnhersteller (vgl. Abbildung 2). Die Basis hierfür hat die im September 2005 in Kraft getretene 14. AMG-Novelle geschaffen . Sie bietet die Möglichkeit, die Freigabe von Arzneimitteln separat von Herstellung und Freigabeanalytik durchzuführen und so die Flexibilität in der Auftragsherstellung weiter zu erhöhen. Eine entsprechende „Herstellungserlaubnis isoliert für die Freigabe von Arzneimitteln“ wurde als erstem deutschen Unternehmen der Hälsa Pharma GmbH im November 2005 erteilt. Pharmazeutischen Unternehmern steht damit die Möglichkeit offen, als freigebenden Hersteller einen externen Dienstleister in die Verantwortung zu nehmen, der als verantwortlicher Hersteller im Sinne eines „Lohnherstellers“ für das Inverkehrbringen in Erscheinung tritt.
Insbesondere für Importeure von Produkten oder auch klinischen Prüfmustern aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (etwa Schweiz, USA oder Japan) sowie für pharmazeutische Unternehmen ohne eigene Herstellungserlaubnis bietet sich die Nutzung eines solchen Dienstleisters an. Des Weiteren kann ein Lohnfreigeber das einheitliche Qualitätsmanagement gewährleisten – unabhängig davon, wie viele Lohnhersteller und -verpacker an der Herstellung eines Arzneimittels faktisch beteiligt sind. Er erfüllt dabei auch grundsätzliche Routineaufgaben, die andernfalls dem pharmazeutischen Unternehmer obliegen und seine Kapazitäten binden, wie etwa die regelmäßige Auditierung der Lohnfertiger und Lieferanten als auch zukünftig der Wirkstoff-Hersteller.
Arzneimittelnahe Medizinprodukte
Durch die in den 90er Jahren neu geschaffene Kategorie der Medizinprodukte waren die Unternehmen erneut gefordert, sich mit neuen Regularien zu beschäftigen. Hersteller von Medizinprodukten sind dem Medizinproduktegesetz zufolge verantwortlich für die Einhaltung der Konformität der Medizinprodukte und die Erfüllung der zugrunde liegenden regulatorischen und normativen Anforderungen . Das Outsourcing einzelner Aufgaben, etwa die Beratung hinsichtlich der Klassifizierung, die Erstellung einer technischen Dokumentation oder die Durchführung des zugehörigen Konformitätsbewertungsverfahrens sind möglich und weit verbreitet.
Bei Medizinprodukten der Klassen IIa, IIb und III ist der Hersteller zusätzlich verpflichtet, ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem zu gewährleisten. Dieses ist normenkonform je nach Klassifizierung ausschließlich in enger Orientierung an oder streng nach der DIN EN ISO 13485:2003 sinnvoll und zulässig . Für Arzneimittelhersteller, die eine Produktion nach GMP-Standards und Pharmabetriebsverordnung etabliert haben und deren Organisationsstruktur darauf ausgelegt ist, ist der Vertrieb von Medizinprodukten deshalb mit neuen Hürden verknüpft: Der mit der Einführung der zusätzlich erforderlichen ISO 13485 verbundene Arbeitsaufwand steht oft nicht im Verhältnis zum möglichen Ertrag entsprechend konzipierter Produkte. Bei solchen „Nischenprodukten“ kann das Outsourcing der entsprechenden Aufgaben erwogen werden. Verantwortlicher Hersteller ist dann der Dienstleister. Dieser ist es auch, der das Qualitätsmanagementsystem zu gewährleisten hat. Durch eine solche Konstellation ergibt sich systembedingt eine Abhängigkeit vom Dienstleistungsanbieter. Bei erfolgreicher Kooperation ist das so geschaffene System jedoch mit geringeren Investitionen behaftet und dadurch risikoärmer, falls sich etwa zeigt, dass das neu entwickelte (arzneimittelnahe) Medizinprodukt nicht den gewünschten Vermarktungserfolg bringt. Hinzu kommt, dass im Vergleich zur andernfalls erforderlichen ISO 13485-Zertifizierung bei diesem Modell die Markteinführung eines neuen Produktes wesentlich beschleunigt werden kann.
Sowohl die für die Zulassung (Neuantrag, Mängelrügenbearbeitung) als auch die in der Qualitätskontrolle von Arzneimitteln notwendige Analytik wird heute vielfach von externen Instituten durchgeführt: Mit zunehmender Komplexität der Analysenmethoden und den damit verbundenen Investitionen in die Geräte, in deren Unterhaltung (Qualifizierung) sowie in geschultes Personal, steigt der Bedarf, diese Analysen aus Gründen der Kostenersparnis extern durchführen zu lassen. Dies spielt gerade in der Methoden(neu)entwicklung beziehungsweise -überarbeitung eine bedeutsame Rolle. Auch bei bekannten Stoffen steigen zunehmend etwa die Anforderungen an die Qualifizierung von Verunreinigungen und Abbauprodukten. Hier ist großes analytisches, aber auch regulatorisches Know-how notwendig, um zweckoptimierte, routinetaugliche und zugleich regulatorisch tragbare Methoden zu entwickeln. Darüber hinaus muss für die Identifizierung dieser bislang unbekannten Strukturen auf teure und hoch spezialisierte Analysentechniken zurückgegriffen werden.
Oft wird vom Lohnhersteller auch die analytische Freigabeuntersuchung eingefordert. Nachteilig wird hierbei gewertet, dass der Inverkehrbringer in eine verstärkte Abhängigkeit gegenüber einem einzelnen Lohnhersteller gerät und er damit Flexibilität einbüßt. Insbesondere wenn mehrere Lohnhersteller an einem Produkt beteiligt sind, erbringt die Konzentration der Prüfung auf ein einzelnes Vertragslabor eine Reduktion des Aufwandes für die Implementierung (Methodentransfer und Auditierung) und weitere Betreuung der Prüfungen und damit eine echte Kostenersparnis (vgl. ebenfalls Abbildung 2).
Eine zusätzliche aktuelle Anforderung an die Qualitätsprüfung von Arzneimitteln stellt die seit Juni 2006 verpflichtende Durchführung von „On-going“ Stabilitätsprüfungen dar (Kapitel 1 und 6 des GMP-Leitfadens). Zusätzlich zu den zulassungsrelevanten Stabilitätsuntersuchungen einschließlich der „Follow-up“ Studien ist jeder pharmazeutische Unternehmer nun verpflichtet, jährlich mindestens eine der produzierten Chargen eines jeden Produktes einer erneuten Stabilitätsprüfung zu unterziehen. Ein Aufwand, auf den die (personellen) Kapazitäten der firmeneigenen Labore in der Qualitätskontrolle oftmals nicht ausgelegt oder vorbereitet sind. Hier bietet sich das Outsourcing an ein externes Institut an.
Marketing und Vertrieb werden in der Regel zu den Kernaufgaben eines pharmazeutischen Unternehmens gezählt. Dies scheint das Outsourcing per definitionem auszuschließen. Dennoch haben sich auch hier externe Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen etabliert. So hat sich zum Beispiel die Erarbeitung von (Werbe-)Claims unter Einbeziehung externer Berater und Ideengeber mit wissenschaftlichem Know-how als effizient erwiesen: Gerade im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel und ergänzenden bilanzierten Diäten, aber auch bei Kosmetika mit medizinischem Zusatznutzen ist die Gratwanderung zwischen rechtlich zulässiger Aussage einerseits und abmahnbarem, gesetzeswidrigem Claim andererseits oft nicht leicht zu meistern . Die Marketingabteilungen der pharmazeutischen Unternehmen beziehen bei der Claim-Entwicklung und dem so genannten „Claim-Support“ daher gerne externen, juristisch und regulatorisch versierten Sachverstand in die Entscheidungsfindung ein (vgl. Abbildung 3).
Speziell im Bereich der Arzneimittel ist die Schnittstelle mit dem nach Arzneimittelgesetz geforderten „Informationsbeauftragten“ zunehmend ein Tätigkeitsfeld externer Berater. Der Verantwortungsbereich des Informationsbeauftragten wird auch von großen Unternehmen gerne nach außen delegiert, weil dadurch die Unabhängigkeit dieses Aspektes, der letztlich Teil der Qualitätssicherung respektive des Qualitätsmanagements ist, vom Unternehmen unabhängig – und damit in seiner Außenwirkung neutraler – dokumentiert werden kann.
Außendienst
Der Außendienst steht stark unter dem Einfluss des Outsourcing. Waren 2003 bereits 13 Prozent der Außendienstler ausgelagert, wird der Anteil für 2005 schon auf rund 18 Prozent geschätzt . Während sich früher auch kleinere Unternehmen einen eigenen Außendienst für Arzt und Apotheke geleistet haben, wird dies inzwischen vielfach von Leihaußendiensten oder Außendienstkooperationen absolviert. Externe Außendienstteams können nach Bedarf gesteuert und entsprechend in der Größe angepasst werden. Anbieter von Leihaußendiensten nutzen Synergien und können dadurch kostengünstig arbeiten.
Allerdings ist zu bedenken, dass bei der Besprechung mehrerer Produkte während eines Arzt- oder Apothekerbesuchs dem einzelnen Produkt nicht mehr die volle Aufmerksamkeit zuteil werden kann. Die Buchung von exklusiven Besprechungspositionen wiederum bietet kaum Kostenersparnisse gegenüber einem eigenen Außendienst. Gerade in Phasen der Produkteinführung oder von Relaunches bietet der Leih- und Leasingaußendienst jedoch die Möglichkeit, große Teile der Apotheker- und Ärzteschaft zu erreichen, ohne sich langfristig an Personal zu binden. Erfolgsabhängige Provisionen und Exklusivitätsvereinbarungen erhöhen auch beim Leihaußendienst die Motivation und damit den Erfolg der Leistung.
Juristische Beratung
Sowohl im Rahmen der Beantragung und Aufrechterhaltung von Arzneimittelzulassungen als auch in der Vermarktung von Lebensmitteln sind viele juristische Fragestellungen zu berücksichtigen. Dies reicht von der Klage gegen die Versagung von Zulassungen über vermeintlich ungerechtfertigte Auflagen bis hin zu Beanstandungen von unzulässigen Produktaussagen. Hinzu kommen wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten zwischen Konkurrenten, die nicht selten vor Gericht ausgetragen werden und somit zwingend auf juristischen Beistand angewiesen sind. Nur wenige OTC-Firmen leisten sich dabei einen Stab von Fachanwälten, die sich um die juristischen Fragestellungen bezüglich der Vermarktung von Arzneimitteln und anderen Gesundheitsprodukten kümmern. Die Einschaltung von externen spezialisierten Anwälten aus den Bereichen des Arzneimittel-, Lebensmittel- oder auch Wettbewerbsrechts ist zweckmäßiger, wirtschaftlicher und bei den meisten kleineren und mittelständischen Unternehmen auch an der Tagesordnung. Und auch größere Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen arbeiten nicht selten mit externen Kanzleien zusammen. Als Beispiel seien Generika-Hersteller genannt, die Patentrecherchen häufig durch versierte Fachanwälte prüfen lassen, weil für sie die korrekte Recherche von Patentabläufen von essentieller Bedeutung ist.
Da sich die jeweiligen Kanzleien oftmals parallel mit ähnlich gelagerten Fällen beschäftigen, profitiert der einzelne Unternehmer von deren Erfahrungen und spart Zeit und Aufwand für die Einarbeitung in die spezifischen Fragestellungen rund um das eigene Produkt. Durch seriöse Beratung im Vorfeld können juristische Streitigkeiten oft sogar vermieden werden, insbesondere wenn die Aussicht auf Erfolg von den Juristen als gering eingestuft wird. Der größte Vorteil bei der Zusammenarbeit mit externen Kanzleien liegt aber wohl darin, dass für den spezifischen Fall und den jeweiligen Produktstatus (Arzneimittel, Medizinprodukt, Lebensmittel, Kosmetikum, etc.) immer spezialisierte Anwälte zur Rate gezogen werden können.
In einem zunehmend kompetitiver werdenden Marktumfeld mit hohen Anforderungen an die Firmen und ihre Produkte insbesondere im OTC-Segment muss der pharmazeutische Unternehmer die Aktualität und Eignung seines Produktportfolios bezüglich der Anforderungen des Marktes in sehr engen Zeitfenstern prüfen. Ständig gibt es neue Entwicklungen durch Mitbewerber, neue Kundenbedürfnisse und auch Modetrends. In der täglichen Arbeit mit den eigenen Produkten verliert ein Unternehmen leicht den Blick für die tatsächlichen Marktbedürfnisse, es stellt sich eine gewisse „Betriebsblindheit“ ein, wenn es um den Umbau, den Ausbau oder die Verschlankung des Portfolios geht.
Hier bietet sich ein „neutralerer Blick“ von außen an, der den nötigen Abstand schafft, sich mit den Produkten sowie mit dem Markt und seinen Trends möglichst objektiv zu beschäftigen. Hier wird das Know-how von solchen Dienstleistern einbezogen, die viele Portfolios insbesondere auch von Mitbewerbern kennen und beurteilen können. Solche Analysen führen sowohl kreative (Werbe-)Agenturen als auch Dienstleister mit Arzneimittel-fachlichem Hintergrund durch, beides hat Vor- und Nachteile. Während im ersten Fall durch Kreativitätstechniken oft innovative Ansätze entwickelt werden, folgt nicht selten Ernüchterung, wenn sich zeigt, dass sich diese beispielsweise aus rechtlichen, regulatorischen oder galenischen Gründen nicht entsprechend umsetzen lassen. Bei Analysen, die von Fachleuten mit regulatorischem Hintergrund erstellt werden, mögen die Ideen nicht immer ganz so spannend sein; die Umsetzbarkeit ist jedoch in der Regel gegeben. Solche fachlich versierten Berater können zudem auch bei den weiteren Schritten der Positionierung unterstützen. Sie bieten – entsprechendes regulatorisches Know-how vorausgesetzt – beispielsweise die Begleitung oder die Übernahme der Produktentwicklung und der regulatorischen Zulassungsarbeit an. Bei der reinen Portfolioanalyse steht jedoch vor allem der Zugewinn neuer Ideen und Anregungen durch die Einbeziehung der externen Dienstleister im Mittelpunkt, während nur wenig unternehmensinternes Know-how preisgegeben werden muss.
In fast alle Prozesse und Schnittstellen eines pharmazeutischen Unternehmens können externe Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen involviert werden. Die Angebote spezialisieren sich dabei immer weiter, insbesondere im Segment des OTC-Vertriebs und beim Vertrieb von Produkten mit bekannten Wirkstoffen. Neue Entwicklungen am Markt oder im Bereich der Gesetzgebung sehen Dienstleistungsunternehmen als Chance für neue Geschäftsfelder und entwickeln entsprechend effiziente Lösungsmöglichkeiten schneller, als pharmazeutische Unternehmen dies ohne die externe Unterstützung selber könnten. In diesem Sinne ist Outsourcing eine konsequente Reaktion der pharmazeutischen Industrie auf den kontinuierlichen Anpassungsdruck seitens Politik und Wirtschaft.
Als damit verbundener Nachteil des Outsourcings wurden eine potentielle Abhängigkeit vom externen Dritten sowie der kontinuierlich erforderliche Aufwand zur Steuerung des Dienstleisters und damit verbundene Schnittstellenprobleme identifiziert. Der befürchtete Know-how-Verlust im Unternehmen hingegen weicht der Feststellung, dass sich die vertragliche Bindung an einen Dienstleister und die arbeitsrechtliche Bindung an (wechselnde) Mitarbeiter nicht grundsätzlich unterscheiden. Vorteile des Outsourcings bestehen in der Vermeidung langfristiger Mittelbindungen, im kurzfristig möglichen Aufbau von Know-how und der Steigerung der Qualität durch Einbindung von Fachleuten. Darüber hinaus kann bei Zugriff auf externe Berater mit einem breiten Dienstleistungsangebot der Aufwand zur Steuerung dieser „Third Parties“ minimiert werden.
Mit jeder neuen Gesetzesänderung sind die betroffenen Unternehmen vor die Frage gestellt, ob sie die Aufgaben selber bewältigen, oder ob sie diese teilweise oder ganz in die Hände eines externen Dritten legen wollen. Die Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen wiederum sind gefordert, sich mit den ständig ändernden Marktgegebenheiten und gesetzlichen Situationen unablässig auseinanderzusetzen, um ihren Kunden insgesamt attraktive Angebote machen zu können.